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Kaufhaus Weißer Turm (KWT)

Vom ehemaligen Kaufhaus Weißer Turm, das älteren Nürnbergern vielleicht noch in Erinnerung ist, existiert in unseren Tagen nur noch die prächtige Fassade. Heute ist in dem Gebäude am Ludwigsplatz das Modehaus "Wöhrl" ansässig, das das ehemalige KWT 1988 erwarb.


Das "Warenhaus Tietz", wie das Kaufhaus Weißer Turm ursprünglich hieß, wurde von den deutsch-jüdischen Unternehmern Hermann und Oscar Tietz gegründet und war das erste Kaufhaus Nordbayerns. Das am 30. März 1886 eröffnete Geschäft unter dem Namen "H. Tietz & Co" lag anfangs in der Königstraße 18, weitere Filialen befanden sich in der Inneren Laufer Gasse, sowie später am Kohlenmarkt in Fürth. Leonhard Tietz, ein Bruder Oskars, gründete in Norddeutschland 1879 sein eigenes Kaufhausimperium, aus dem nach der Enteignung durch die Nazis die "Kaufhof"-Kette hervorging.

Die in Nürnberg von Oskar und Hermann Tietz gegründeten Geschäfte wurden von Julius Tietz geleitet und waren sehr erfolgreich. Trotzdem verkaufte die Familie das Unternehmen 1905 an Ludwig Levy. Levy führte die Geschäfte unter gleichem Namen weiter und führte den Expansionskurs fort. Nach weiteren positiven Jahren stieß der Kaufhausinhaber im Domizil in der Königstraße an Kapazitätsgrenzen. Levy zog in ein größeres Gebäude am heutigen Ludwigsplatz, das er auf ungewöhnliche Art "umbaute". An den bestehenden Mittelbau ließ der Besitzer 1911 zwei Seitenflügel anbauen, während zwischen den Baustellen der Verkauf im Bestandsgebäude weiterlief. Nach Fertigstellung der Seitenflügel wurden die Verkaufsräume dorthin verlagert und das Ursprungsgebäude in der Mitte abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Auch während dieser Bauphase lief der Verkauf weiter.

Als das neue Haus am Ludwigsplatz am 15. September 1913 eröffnet wurde, war am folgenden Tag in der Nürnberger Zeitung zu lesen: "Unsere Stadt hat in den letzten Jahren manchen neuen Geschäftsneubau gesehen ... Der Glänzendste dürfte aber wohl der Neubau der Firma Tietz in der Ludwigstraße sein. (...) Weiße Marmorschäfte streben hinan zu den Etagen und hoch oben an der Decke hängt ein kostbarer Kronleuchter, dessen 853 Glühlichter eine gleißende Lichtfülle von sich geben."

In den "Monographien deutscher Städte" von 1927 heißt es : "Der untere Teil der Marmorverkleidung besteht aus Pavanazzo-Marmor. Die Einrichtung ist teilweise aus poliertem, amerikanischem Nussbaumholz, teils aus Eichenholz hergestellt, am Portal hat für die Verkleidung Mahagoniholz Verwendung gefunden. (...) Die vornehme Dame, der Bürger und die einfache Arbeiterfrau kaufen gleich gern dort."

Der Kaufhaus-Neubau, nach Entwürfen von Paul Bittorf und Otto Schulz, begeisterte nicht nur die Presse, sondern wurde auch von der Bevölkerung gut angenommen. In 53 Spezialabteilungen fand der Kunde alles unter einem Dach, und die Preise sollen vergleichsweise günstig gewesen sein. Ein Konkurrent befand sich nur wenige Meter entfernt – der "Grand Bazar" im ehemaligen Hotel "Zum Strauß".

Nach dem Tod Levys, 1922, führte seine Frau Louise das "Warenhaus Tietz", sowie das Geschäft am Fürther Kohlenmarkt weiter. Um der "Arisierung" zu entgehen, heiratete die Witwe 1933 den nicht-jüdischen Geschäftsmann Theodor Hartner. Die Firma wurde auf Hartner umgeschrieben und das Warenhaus in "Kaufhaus Weißer Turm" umbenannt (nach dem wenige Meter entfernten "Weißen Turm"). Trotzdem blieben der Familie rassistische Boykotte nicht erspart. Obwohl ein Schreiben des nationalsozialistischen Reichswirtschaftsministeriums bestätigte, dass das Unternehmen als "arisch" zu gelten habe, riefen Mitglieder der Frauenschaft 1935 vor den Hauseingängen zum Boykott auf. Vermutlich vom Einzelhandel bezahlt, wurden solche Aktionen besonders zu den "Reichsparteitagen" angezettelt. Unter dem Druck der Naziregimes trennte sich Hartner 1938 von seiner Frau. Sie nahm sich einen Monat später das Leben.

Nach Plünderungen durch Zwangsarbeiter wird das Kaufhaus am 23. April 1945, nachdem es von Bombentreffen überwiegend verschont blieb, angezündet. Fritz Nadler schreibt hierzu in seinem Buch "Ich sah wie Nürnberg unterging: "(22.04.1945) In der Stadt beginnen die Plünderungen großen Umfanges. Gruppen von russischen, polnischen und italienischen Arbeitern durchziehen die Straßen mit Säcken und rauben die Keller der großen und kleinen Kaufhäuser und Geschäfte aus. Es zeigt sich da dem erstaunten Auge, dass alle die entbehrten Herrlichkeiten, die vor wenigen Tagen auch Ausgebombten unerreichbar waren, in großen Mengen noch gestapelt sind. (...) (23.04.1945) Heute beginnen die Brandstiftungen. Das Warenhaus "Zum weißen Turm" und das Geschäftshaus von Schreiber und Sundermann, die beide ziemlich gut erhalten waren, gehen in Flammen auf. Außerdem werden noch viele Geschäftshäuser niedergebrannt. ..."

Das ausgebrannte Haus wurde in veränderter Form wieder aufgebaut. Um mehr Verkaufsfläche zu erhalten wurde der Lichthof auf allen Etagen überbaut. Nach Kriegsende erhielten die Nachfahren Teile der Firma wieder zurück. Der Sohn Ludwig Levys, Hans, hatte seinen Namen während der Naziherrschaft in Hans Ludwig geändert und baute das Warenhaus zu dem aus, wie es viele Nürnberger bis zur Schließung kannten. Wie eingangs erwähnt, hat die Firma Wöhrl das Gebäude 1988 erworben und es in jahrelanger Arbeit kernsaniert. Im Inneren weist nichts mehr auf das einstige, traditionsreiche Kaufhaus Weißer Turm hin, nur die imposante Fassade erinnert noch an Nürnbergs ersten Konsumtempel.

Apropos: Die anderen in Süddeutschland von der Familie Tietz gegründeten Warenhäuser, bildeten später den Grundstock für die Hertie-Kaufhäuser (HERmann TIEtz).


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Text: mw
Verwendete Literatur: Nürnberger Zeitung v. 15.07.2009: Konsumfreude unter dem Kronleuchter, von Wolfgang Kerler; Fürther Geschichtsblätter 2/05: Das Kaufhaus Weißer Turm (KWT), vormals Warenhaus Tietz, in Fürth, am Kohlenmarkt, von Peter Frank; INU, NWM, SLN

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