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Meister Franz. Scharfrichter zu Nürnberg

Scharfrichter (richten mit dem scharfen Schwert), Nachrichter (richten in zweiter Instanz, nach dem Richterspruch), der Angstmann und Vollstrecker waren im Mittel- und Spätmittelalter gängige Bezeichnungen für den Berufsstand des Henkers. Franz Schmidt, genannt Meister Franz, war einer von ihnen. Und er war einer (wahrscheinlich der Einzige), der seine Arbeit während seiner Schaffenszeit nüchtern protokollierte. Seine Aufzeichnungen lassen uns erahnen, dass es in jener Zeit eine enorme Gewaltkriminalität gegeben haben muss, die die Obrigkeit gnadenlos verfolgte. Aus heutiger Sicht würden wir die Arbeit des Meister Franz als bestialisch und inhuman bezeichnen. Aber ganz so profan kann man die Tatsachen nicht sehen, schließlich war Franz Schmidt ein "treuer reichsstädtischer Angestellter", der seine blutige Tätigkeit gewissenhaft ausführte (wie Sie später noch lesen werden).

Franz Schmidt wurde um 1555 in Hof (Franken) geboren und tat eigentlich nur das, was in den letzten Jahrhunderten viele junge Leute taten. Er trat in die Fußstapfen seines Vaters, einem Scharfrichter zu Bamberg. Dort verrichtete der junge Franz vier Jahre lang, als Nachfolger seines Erzeugers, sein archaisches Geschäft. Vor seinem Tod am 14. Juni 1634, war Meister Franz – als Meister seines Fachs – 40 Jahre lang in Nürnberg tätig. Meister seines Fachs deshalb, weil ihm im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, beispielsweise der Schwerthieb zur Köpfung eines Delinquenten, immer auf Anhieb gelang. Dies war nicht gang und gäbe. Oft mussten die Henker zwei-, dreimal nachschlagen, weil der erste Schwerthieb nur die Schulter oder den Rücken trafen. Dem gaffenden Volk missfielen solche Verfehlungen. Aus Zellersfeld wurde berichtet, dass der Scharfrichter "Meister Simon" nach fünf misslungenen Schwerthieben, von der aufgebrachten Menge in Stücke gerissen wurde.

Meister Franz war kein Mann der Schreibfeder, und so verwundert es nicht, dass die Aufzeichnungen in seinem Tagebuch, oder besser gesagt in seinem Arbeitsbuch, stilistisch, grammatikalisch und orthographisch eher etwas unbeholfen wirken – das tut dem einzigartigen Dokument aber keinen Abbruch. Der Autor zitiert im Folgenden wörtlich, was manche Textpassagen nicht immer leicht verständlich macht.


Von Bamberg nach Nürnberg

"Nun folgt der Anfang als ich Meister Franz Schmidt Walburgi (d. h. der 1. Mai), deß 1578. Jahrs zu Nürnberg angenommen worden bin". Diese Überschrift ist der erste Eintrag in seinem Arbeitsbuch zu Nürnberger Zeit. Leider hat sich Franz Schmidt in seinen Aufzeichnungen nur auf seine Tätigkeit als Scharfrichter beschränkt. Private Einträge sind nicht vorhanden – persönliche Anmerkungen nur in geringem Ausmaß.

Überliefert ist lediglich, dass er am 7. Dezember 1579 in Nürnberg eine gewisse Maria Beck (gestorben 1600) heiratete. Aus dieser Ehe sind vier Söhne und drei Töchter hervorgegangen. In den Annalen der Stadt Nürnberg wird das Gehalt des Meisters mit 2 1/2 fl. Wochensold angegeben – damals ein ansehnlicher Lohn. Im Vergleich: 85 Jahre zuvor, hatte Georg Glockendon, welcher den Behaim-Globus bemalte, für 15 Wochen Arbeit 14 fl. vom städtischen Rat erhalten. Einen Pensionsanspruch hatte Franz Schmidt ebenfalls. Er soll ein sehr enthaltsames Leben geführt haben. Auch vom Alkohol hielt er sich fern, was in seiner Zunft als eher ungewöhnlich galt. Vielmehr ist aus seinem Privatleben leider nicht bekannt.



Henker – ein harter Beruf

Ein Scharfrichter war zu damaliger Zeit ein viel beschäftigter Mann. Neben seinen Hauptaufgaben für Leibes- und Lebensstrafen waren Nachrichter auch zuständig für die Tötung streunender Hunde, Reinigung der Kloaken und die Vertreibung von Aussätzigen. Auch oblag ihm die Aufsicht über die Dirnen. All diese Tätigkeiten brandmarkten die Zunft der Scharfrichter als "unredlich". Die Bürger befürchteten bei einem Kontakt als "unehrlich" infiziert, und von der christlichen, ehrlichen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Henker wurden, soweit machbar, nicht im Stadtgebiet sesshaft gemacht. Meister Franz wurde auch isoliert und wohnte im Henkerturm auf der Säumarktinsel (heute Trödelmarkt).

Freilich ließ sich die Begegnung mit Meister Franz, bedingt durch seine vielen Nebentätigkeiten, nicht immer vermeiden. Um die bürgerliche Ehre nicht zu verlieren sind die Leute wahrscheinlich panikartig geflüchtet, wenn sie Franz Schmidt schon aus weiter Ferne sahen. Im Jahr 1546 wurde aus Basel berichtet, dass sich ein Handwerker umbrachte, weil er in weinseliger Laune mit dem Scharfrichter angestoßen hatte. 1590 wurde in Oppenheim ein Zimmermann als unehrlich erklärt weil er das Schwert des Scharfrichters berührte. Der Zimmermann machte aber aus der Not eine Tugend und wurde selbst Henker.


Leibes- und Lebensstrafen. Die öffentliche Abschreckungs-Justiz

"Rädern" war sicherlich die grausamste aller Strafen. Das Zedlersche Universal Lexikon von 1740 beschreibt die Prozedur so:

"Rad, ist auch eine Lebens-Straffe und zwar nächst dem Feuer die schärffeste, sonderlich wenn der Verbrecher den Gnaden-Stoß nicht bekommt, das ist, wenn nicht bald im Anfang ihm das Genicke oder das Hertze angestossen wird. Der Verbrecher wird auf der Erden, anderswo auf einem höltzernen Creutze, ausgestreckt, und bey uns durch starckes Stossen mit einem hiezu besonders verfertigten Rade, anderswo aber durch Schlagen mit einer eisernen Keule, die Röhren an Armen und Beinen zerbrochen, womit er also auf ein ordentlich Wagen-Rad gelegt, mit den gebrochenen Gliedern in die Speichen eingeflochten, und auf einem Pfahle nach der Fläche ausgerichtet wird, allwo er, ohne den Gnaden-Stoß, noch eine Zeitlang, in höchsten Schmerzen leben kann. Ja man hat ein Exempel gesehen, da einer vom Rade losgekommen und wieder geheilt worden.
Diese Straffe gehöret eigentlich für Meuchel-Mörder, Strassen- und Kirchen-Räuber; und wenn ihnen Gnade wiederfährt, werden sie zuerst enthauptet, hernach auf das Rad gelegt, und der Kopf über dem Rade auf den Pfahl gesteckt."

Neben dieser Art der Hinrichtung wirkt der Tod durch Schwert oder Strang schon fast "human". Verbrechen die durch diese Hinrichtungsart geahndet wurden waren beispielsweise Raub, Totschlag, Aufruhr, Notzucht und Abtreibung. Ein Herbeischleifen des Delinquenten durch die Straßen bis zur Richtstätte verschärfte die Strafe noch. Eine besondere "Kunst" bei der Exekution durch das Schwert war die Hinrichtung am stehenden Menschen. Diese Variante war für den Verurteilten weniger schmachvoll, da eine Fesselung am Stuhl entfiel und somit keine direkte Berührung durch den Henker stattfand, sodass der Verurteilte als "ehrlich" von dieser Welt gehen konnte. Meister Franz beherrschte auch diese Variante und vermerkte solche Exekutionen immer extra in seinem Tagebuch.

Einige Beispiele aus dem Tagebuch des Meister Franz:
"17.10.1587, Christoph Schmidt von Nürnberg, ein Büttner und Dieb, so wegen Dieberei das Land verboten worden; ist aber in die Badestuben gegangen, hat schlechte Kleider angelegt, wann er aus dem Bad gegangen ist, die besten anderer anderer angezogen, seine alten an die Statt gelegt und sonsten überall viel gestohlen; allhie mit dem Strang gerichtet."

"6.11.1595, Hans Siegert von Pollingen bei Neumarkt, einen Bauernknecht welcher einen Schneider in Sündersbühl mit einem dreicketen Zaunstecken erschlagen, allhie mit dem Schwert gerichtet. Hat den ganzen Weg geweint, bis er niederkniet."

"22.1. 1600, Veit Willet von Güntersbühl, ein Rosstäuscher welcher die Leut fälschlich betrogen mit Kaufen. Allhie mit dem Schwert gerichtet, welcher zuvor zu Pappenheim mit Ruten ausgestrichen worden und dem zu Schwabach beide Ohren abgeschnitten waren."

"13.10.1601, den Linhard Leidtner aus dem Bayernland, einen Dieb und Räuber, der zwei Jahre lang Krambuden nachts mit einem nachgemachten Schlüssel aufsperrte und den Riegelbauer, von Himpfelshof, einen Bauernknecht, der auch gestohlen und auf den Straßen den Weibpersonen die Beutel von der Seite gerissen und das Geld genommen hat; beide durch den Strang gerichtet."

18.1.1603, Hans Marti, einen Besenbinder, ein Bleichdieb, der den Bleichern auf der Deutschen-Herren-Bleich, Mögeldorf, Galgenhof, Tafelhof über 2000 Ellen Tuch von der Bleich gestohlen; mit dem Strang gerichtet."

Neben den drastischen Lebensstrafen gab es auch die "milderen" Leibesstrafen wie die der Brandmarkung, das Abschlagen der Finger oder Ohren, Abschneiden der Hand oder Ausstechen der Augen und die Prügelstrafe. Letztere erscheint uns aus heutiger Sicht als eher als harmlos. Man darf aber nicht vergessen, dass der Bestrafte dadurch seine bürgerliche Ehre verlor weil er dadurch vom "unehrlichen" Henker berührt wurde.
Neben der Folterbank waren auch das "Außstreichen", also den Verurteilten rutenschlagend durch die Stadt zu treiben ein viel gebrauchtes Strafmittel. So harmlos sich das auch liest, auch diese Züchtigung konnte zum Tode führen.

Franz Schmidt tat nach mancher Hinrichtung etwas, das ihm im Ruhestand noch von Vorteil sein sollte. Er, und dazu war er berechtigt, sezierte die Hingerichteten. Der Nürnberger Rat erließ hierfür folgenden Passus: "(...) den enthaupteten cörper zu schneiden und, was ime zu seiner arznei dienstlich, davon zu nehmen ..." Dies diente Meister Franz nicht nur zur medizinischen Erforschung, vielmehr wurden manchen Körperteilen magische Kräfte zugeschrieben. Es herrschte der Aberglaube, dass die Hand eines Gehenkten Segen in den Pferdestall bringt oder der Diebesdaumen in der Geldtasche bzw. hinter dem Tresen des Wirts reichlich Geldsegen bringt.

Meister Franz der "Humane"

Die Kirche hatte erhebliche Vorbehalte gegen Scharfrichter. Der Empfang der Sakramente oder der Besuch eines Gottesdienstes wurden oft verwehrt oder nur unter umständlichen Auflagen möglich – kirchliche Begräbnisse wurden oft verweigert.

Bei Franz Schmidt war dies jedoch anders – er hatte ein gutes Verhältnis zur Kirche. Er wurde kirchlich getraut (Annahme des Autors) und brachte seine sieben Kinder zur Taufe, die dann später auch die Schule bei St. Sebald besuchen durften. So setzte er, zusammen mit einigen Geistlichen, eine Änderung der Hinrichtung bei Kindsmörderinnen durch. Diese wurden ab 1580 nicht mehr langwierig und qualvoll ertränkt, sondern fortan mit dem Schwert gerichtet.

Meister Franz schien seine Arbeit manchmal etwas zu weich auszuüben und aus Mitleid mit den Verurteilten die Bestrafung nicht mit aller Härte durchzuführen. Der Nürnberger Rat ermahnte ihn "... die mißtettigen personen nit schlecht anzudupfen, das sie den schmerzen empfinden".


"Ende der Leibs straffen"

Sein gutes Verhältnis zur Kirche und sein untadeliges Arbeiten in 44 Jahren ermöglichten Meister Franz den Weg in die Redlichkeit. Er trat 1615, andere Quellen sprechen von 1618, in den Ruhestand. Sein letzter Eintrag in seinem Arbeitsbuch lautet:

"Ende der Leibs straffen
Summa Summarum aller derer. So vom Leben zum Thodt, seyndt durch Franz Schmidt hiesigen Nürnbergischen Scharff richter, hingerichtet worden

361 Persohnen

Ferner so am Leib gestrafft und mit Ruden auß streichen, Ohren abschneiden und Finger abschlagen worden

345 Persohnen

Damit hat er seinen dienst auff geben, und wider redlich gemacht worden".

Meister Franz schien, wie andere Scharfrichter auch, gut verdient zu haben. Er hatte es zu einem eigenen Haus (Obere Wörthstraße 10) gebracht, in dem er nach Beendigung seiner Henker-Laufbahn als Arzt, besser gesagt als Praktiker der abergläubischen Volksmedizin, arbeitete. Medizinische Kenntnisse hatte er sich, wie bereits erwähnt, beim Anatomieren (sezieren) der Hingerichteten angeeignet.

Angesehen, aber auch gefürchtet, starb Meister Franz Schmidt am 14. Juni 1634. Er wurde auf dem Rochusfriedhof beigesetzt.



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Text: mw
Verwendete Literatur: MFT, SLN

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