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Bratwurstglöcklein

Das Bratwurstglöcklein war einst die legendärste Bratwurstküche Nürnbergs und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Es war in Deutschland so berühmt, dass es im gleichen Atemzug mit dem "Auerbachs Keller" in Leipzig genannt wurde. Sein Name hat heute noch Bestand, nur das Original-Wirtshaus existiert nicht mehr.

Im Jahr 1313 wurde nördlich der Sebalduskirche, nur wenige Meter entfernt, die Moritzkapelle errichtet. An dessen Nordseite wurde dann später das Bratwurstglöcklein angebaut.


Den Ursprung dürfte das Lokal in einer Garküche haben die sich an erwähnter Nordwand der Moritzkapelle befand. Die Entstehung des Gasthauses wird in der zweiten Hälfte des 15. Jh. vermutet. In den Annalen der Stadt ist in dieser Zeit erstmals von einem "Koch pei sant Sebolt" die Rede, bzw. 1344 und 1359 von "Köchen auf dem Sebalder Friedhof". Die älteste Darstellung aus dem Jahr 1608 zeigt das noch relativ kleine Wirtshaus auf dem heutigen Sebalder Platz. Vergrößert wurde der Bau 1655 und erhielt in dieser Zeit auch sein markantes, barockes Aussehen, wie es später auf unzähligen Ansichtskarten zu finden war. 1699 ging die Immobilie samt 4.000 Bratwurstdärmen in den Besitz von Georg Rochus Weber über.

Die erste, belegte namentliche Erwähnung befindet sich auf einer Verkaufsurkunde aus dem Jahr 1729. Auf diesem Dokument wird das Lokal "Zum blauen Glöcklein" genannt. In dem Kaufvertrag heißt es: " ... ihre bishero besessene eigentümliche, in St. Sebalder Pfarr an der Moritzkapelle angebaute Wirtsbehausung und Garküche, zum blauen Glöcklein genannt, neben der darauf haftenden Gerechtigkeit des Metzelns oder sogen. Schweinestechens und Bierschenkens, für 2900 Gulden Kauf- und 50 Gulden Leikaufsumme."

Dieser Name leitete sich wahrscheinlich von der an der Südseite der Sebalduskirche befindlichen Marktglocke ab. Die Umbenennung in Bratwurstglöcklein dürfte in der Zeit der romantischen Entdeckung Nürnbergs stattgefunden haben. Das "Glöckla" wurde während seines Bestehens mehrmals umgebaut, erweitert und ist einmal fast abgebrannt.

Wechselte das Lokal 1804 noch für 4.000 Gulden den Besitzer, mussten 1810 schon 4.260 Gulden bezahlt werden. 1836 waren es bereits 10.254 Gulden.

Friedrich Mayer schrieb in seinem 1843 erschienenem Werk "Nürnberg im neunzehnten Jahrhundert mit stetem Rückblick auf seine Vorzeit: "... wodurch das an die Moritzkapelle angebaute blaue Glöcklein sich einen Namen gemacht hat, den es nicht mehr so leicht verlieren wird. Wenn man die kleine Baracke betrachtet und erfährt den Preis, um den sie der jetzige Besitzer erstanden hat, so vermag man einigermaßen zu berechnen, wie einträglich dieses Geschäft seyn muß, das noch von einigen Wirthen, aber nicht mit solchem Erfolge, getrieben wird."

Die Lage des Wirtshauses war geradezu prädestiniert und der Fremdenverkehr im wiederentdeckten, romantischen Nürnberg florierte. Zwischen Hauptmarkt, Sebalduskirche, Albrecht-Dürer-Denkmal und Dürerhaus gelegen, war der Standort sicherlich eine 1A-Lage. Die Bratwurstküche wechselte im 19. Jh. mehrmals den Besitzer – immer mit Verkaufsgewinn! Dies wurde selbst in einem Artikel der "Gartenlaube" von 1878 erwähnt: "... Mehr als die Güte des von Küche und Keller Gebotenen hat der Ruf der kleinen Kneipe dieselbe zu einer Geldquelle gemacht; die ganze Baulichkeit ist nur wenige hundert Gulden werth, aber ihr Preis ist schon vierundzwanzigtausend Gulden geschätzt worden. Auch das gehört zur Curiosität dieser lustigen Sehenswürdigkeit der alten lieben Frankenstadt."

Ob Albrecht Dürer, Hans Sachs oder Willibald Pirckheimer sich dort mit Bratwürsten und Bier stärkten, wissen wir nicht, aber vorstellbar ist es durchaus. Jedenfalls rühmten sich die Betreiber, die Stammkneipe Nürnbergs berühmter Söhne zu sein, was bei den Gästen gut ankam. Auch Königin Elisabeth von Rumänien schien Zweifel an der früheren Anwesenheit der mittelalterlichen Meister gehabt zu haben, sodass sie anlässlich ihres Besuchs 1883 diesen Vers verfasste:

"Ich las, was allhier geschrieben stund,
Und weil ich die Herren nit finden kunnt,
So hab´ ich auf ihrem Platze gesessen,
In ihrem Geiste mich satt gegessen."

In der historischen Festzeitung anlässlich des 31. Gastwirtstags 1904 wird neben der Sebaldusklause auch das Bratwurstglöcklein als Attraktion angepriesen. Darin heißt es: "Unter den Schenken und Wirtshäusern in Deutschland wird neben dem Auerbachs-Keller in Leipzig wohl keine Stätte so bekannt sein, wie das Bratwurstglöcklein Nürnberg, in einem kleinen Anbau an die Moritzkapelle bestehend, am ehemaligen Milchmarkt, jetzt Albrecht-Dürer-Platz gelegen. An seinen kulinarischen Gaben erquickten sich, ohne das für die Wahrheit geradezu Garantie geleistet wird, Albrecht Dürer, Willibald Pirckheimer ... (...) ... heute noch gilt für manchen Besucher der alten Reichsstadt das Bratwurstglöcklein als Hauptziel und hat er es erreicht, dann fliegt die Postkarte heim und meldet das fröhliche Ereignis, daß er nunmehr im Begriffe sei, Nürnberg von seiner einnehmendsten Seite kennen zu lernen."

Apropos Postkarte. Wie beliebt und bekannt das Lokal war, untermauert die Anzahl der Ansichtskarten die einst im Umlauf waren. Kaum ein Verlag konnte auf das Bratwurstglöcklein verzichten. Ein Nürnberger Sammler bringt es auf über 500 verschiedene Exemplare von dem "Romantiklokal". Die Karten waren dann meist noch mit mehr oder weniger poetischen Sprüchen verziert, wie:

Denn wisst, wo einst Hans Sachs gesessen,
Hab´eben Würstlein ich gegessen.

oder

Die Würsteln sind braun und klein,
Und sind von Geschmack sehr fein.

Das Bratwurst-Kleinod wurde in jedem Reiseführer erwähnt und so verwundert es nicht, dass die knappen Plätze meist mit Touristen aus aller Welt besetzt waren. Das Bratwurstglöcklein war jetzt also selbst eine berühmte Sehenswürdigkeit. Bis zu seiner Zerstörung waren neben Hans Albers und Heinz Erhard noch viele andere Prominente zu Gast in dem kleinen, romantischen Lokal.

Fritz Traugott Schulz (1875-1951) schrieb in seinem "Almanach zum Andenken an das Bratwurstglöcklein in Nürnberg":

"Aber woher kommt es, dass gerade das Bratwurstglöcklein vor allen anderen die Zeiten überdauert hat, und dass es sich noch heute eines so lebhaften Zuspruchs erfreut? Es war eine der Garküchen der Stadt, denen das Recht zustand, Stadtbiere auszuschenken, und die weiter begünstigt waren, Schweine zu schlachten, das Fleisch zu verkochen und Bratwürste zu braten. Wahrscheinlich waren letztere von jeher eine besondere Spezialität. (...)" Weiterhin führt der Autor die bereits erwähnte günstige Lage an, sowie zwei Kirchweihen mit Markt "an Petri und Pauli und am nächsten Sonntag nach St. Gallentag".


Die Moritzkapelle und das sich anlehnende Traditionslokal wurden durch die Luftangriffe vom 3. Oktober 1944 zerstört. Ein Wiederaufbau war nicht vorgesehen, jedoch versuchte die Lederer-Brauerei 1960, vor Gericht den Traditionsnamen auf das soeben eröffnete "Bratwursthäusle" an der Sebalduskirche zu übertragen – dem wurde nicht stattgegeben. Eine in den Boden eingelassene Gedenkplatte auf dem Sebalder Platz, mit den Umrissen des verschwundenen Ensembles erinnert noch das "Original-Bratwurstglöcklein". Darauf ist zu lesen: "Ihr Wiederaufbau bleibt zukünftigen Generationen vorbehalten." Ob dies je geschieht, gilt aus heutiger Sicht als eher unwahrscheinlich – aber wer weiß schon was in 25, 50 oder 100 Jahren geschieht.

Nachbauten des Lokals (ohne Moritzkapelle) gab es früher auf Weltausstellungen – natürlich größer als das Original. Auf dem Münchner Oktoberfest soll es einen Bau geben der ebenfalls dem Bratwurstglöcklein ähnelt.

Seit 1971 betreibt die Gastronomenfamilie Behringer im Handwerkerhof eine Gaststätte mit dem Namen "Bratwurst-Glöcklein. Historische Bratwurst-Küche im Handwerkerhof Nürnberg". Der Name ist also noch existent und seitdem auch markenrechtlich geschützt. Neben dem Bratwursthäusle betreibt dieselbe Familie seit 2004 auch noch das Restaurant namens "Goldenes Posthorn" samt Zusatz "mit Bratwurstglöcklein", direkt vis-à-vis des verschwunden Originals. Das Goldene Posthorn ist Nürnbergs älteste Weinstube um die sich auch viele Legenden ranken, aber das ist eine andere Geschichte.

Es ist anzunehmen, dass es sich um das soeben beschriebene Lokal handelt über das sich Jakob Burckhardt in einem Brief von 1877 so äußerte:

"Ich hatte noch in der Abenddämmerung in das "Wurstglöckle" hineingeschaut und mich viel zu alt gefunden, um dort noch eventuelle Fidelitäten anderer Leute mit anzusehen. Vollends in die Wolfsschlucht hätten mich keine vier Pferde hineingebracht; es sass dort alles dick bis weit auf die Gasse, weil daselbst das einzige anständige Bier verzapft werden soll, während sonst in Nürnberg (laut Schimpfens in den Zeitungen) das Bierelend allgemein sein soll."


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Bratwurstglöcklein
Bratwurstglöcklein
Bratwurstglöcklein
... mit Moritzkapelle
Bratwurstglöcklein
Gedenktafel
Bratwurstglöcklein
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Text: mw
Fotos: Postkarten aus den Verlagen Ferdinand Schmidt, Nürnberg und Philipp Krebs, Dresden
Verwendete Literatur: DNB, NWG, SAN, SLN

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