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Schnaittachtalbahn – der "Simmelsdorf-Express"

Auch die Schnaittacher wollten vor über 100 Jahren bahntechnisch an die "große weite Welt" angeschlossen werden. Doch ganz so einfach gestaltete sich dieses Vorhaben nicht. Nachdem die Fichtelgebirgsbahn am 15. Juli 1877 ihren Betrieb aufgenommen hatte, reichte die Marktgemeinde Schnaittach am 6. April 1890 ihre erste Eingabe für den Anschluss mittels Lokalbahn ein.


Doch die Staatsbahngesellschaft sah in der nur fünf Kilometer langen Strecke, vom Abzweig der Hauptstrecke in Schnaittach-Bahnhof (heute Neunkirchen am Sand), bis Schnaittach-Markt keine rentable Bahnlinie. Die Königliche Bahngesellschaft stellte aber in Aussicht dieses Projekt umzusetzen, falls man bereit wäre die Bahn bis Simmelsdorf oder Hüttenbach weiter zu führen. Man versprach sich hiervon eine Zunahme der Reisenden und somit einen einträglichen Betrieb. Also mobilisierten die Schnaittacher ihr "Hinterland" und konnten die Nachbargemeinden für dieses Projekt begeistern. Mit Freiherr von Tucher konnte in Simmelsdorf ein gewichtiger Mitstreiter gewonnen werden.

Ein erneutes Gesuch mit verlängerter Trassenführung, ebenfalls 1890 eingereicht, brachte den Erfolg. Als Auflage erhielt das lokale Eisenbahnkomitee, mit Sitz in Schnaittach, die Übernahme der Projektierungskosten in Höhe von 500 Mark. Schnell einigten sich die beteiligten Gemeinden und stimmten dem Vorschlag zu. Dem Schnaittacher Gremium schlossen sich daraufhin noch die umliegenden Mühlen-, Ziegelei- und Sägewerkbesitzer an.

Am 30. Oktober 1891 entsandte die Königlich Bayerische Staatsbahn Vertreter zu einer Streckenbegehung. Mit Freiherr von Tucher, der jetzt Vorsitzender des lokalen Komitees war, und Ratsmitgliedern der Gemeinden Neunkirchen, Speikern, Rollhofen, Schnaittach, Hedersdorf, Simmelsdorf und Hüttenbach machte man sich von Schnaittach aus auf die Strecke. Neunkirchens Bürgermeister Hutzler erwartete sich von der geplanten Bahnstrecke keine großen Vorteile für seinen Ort und entfernte sich antragslos. Alle anderen Beteiligten sahen das Projekt optimistischer und erklärten sich bereit den erforderlichen Grund sofort zu Verfügung zu stellen.

Auch die an der geplanten Lokalbahn liegenden Betriebe unterstützten das Projekt großzügig, forderten aber eine eigene Güterabfertigung. Ziegeleibesitzer Georg Wolf stellte 4.500 Mark Zuschuss in Aussicht falls seine Wünsche berücksichtigt werden. Auch andere Schnaittacher Unternehmer wollten sich finanziell am Bahnbau beteiligen. Neben Gastwirt Konrad Schnellbögel (100 Mark) waren auch Mühlenbesitzer Josef Schlicht (1.100 Mark), Ziegeleibesitzer Albert Schmauß (500 Mark), Brauer Wolfgang Traeg (100 Mark) und etliche andere bereit, ihr Scherflein beizusteuern.

Auch Hedersdorf äußerte den Wunsch nach einer Güterabfertigung und war gewillt die dafür nötige Zufuhr- und Ladestraße zu finanzieren. Die kostenfreie Überlassung der Grundstücke war sowieso selbstverständlich. Unterstützt wurden die Hedersdorfer von der Gemeinde Osternohe, die sich bei Errichtung einer Güterverladung mit 2.000 Mark beteiligen wollte. Ohne Güterabfertigung wäre der Zuschuss hinfällig. Die Vertreter der Gemeinde Au stellten keine finanzielle Beihilfe in Aussicht.

Anders die Simmelsdorfer, die mit der geplanten Trassenführung und Lage des Bahnhofs an der Straße nach Diepoltsdorf sofort einverstanden waren. Als Endstation sollte Simmelsdorf neben dem Bahnhofsgebäude noch einen Güter-, sowie Lokschuppen erhalten. Die Gemeindevertreter gaben ihre Zusage für eine Subvention in Höhe von 13.000 Mark. Ferner stellten sie kostenlos den Grund für die Bahnbauten, sowie die Zufahrtsstraßen. Die Diepoltsdorfer wurden bahntechnisch zwar nicht direkt erschlossen, gestatteten aber die unentgeltliche Entnahme von Steinen und anderen Baumaterialien aus ihrem Territorium. Auch die Distriktgemeinde Lauf stellte einen Zuschuss von 15.000 Mark in Aussicht.

Noch am selben Tag wurden sich Gemeindevertreter und Königl. Bayer. Staatsbahn einig. Schriftlich wurde das Besprochene festgehalten. Allein für den Grunderwerb hatten die Kommunen folgende Summen zugesichert:
  • Schnaittach Markt 25.000 Mark
  • Simmelsdorf 13.000 Mark
  • Diepoltsdorf 9.000 Mark
  • Hüttenbach 5.000 Mark
  • Utzmannsbach 3.000 Mark

Sogar die weiter entfernt gelegenen Gemeinden Großengsee und Ittling sagten einen Zuschuss von je 1.000 Mark zu. Einig war man sich auch über den Namen der Endstation: Simmelsdorf-Hüttenbach. Im Dezember 1891 waren die Laufer plötzlich nicht mehr bereit ihre zugesagten 15.000 Mark beizusteuern und wollten nur noch für 10.000 Mark gerade stehen. Dies ließ das Projekt dennoch nicht scheitern, weil sich alle Gemeinden verpflichtet hatten für eventuelle Mehrkosten aufzukommen.

Am 26. Mai 1892 wurde die Lokalbahn Schnaittach Bahnhof – Simmelsdorf-Hüttenbach gesetzlich verabschiedet. Das Schnaittacher Eisenbahnkomitee war ungeduldig und richtete in den folgenden Wochen mehrere Eingaben an die Staatsbahn. Nachdem die Antworten ausblieben wandte man sich direkt an das Königliche Haus. In einem Schreiben vom 7. November 1892 heißt es: "(...) Zwar sei es ihnen wohl bekannt, dass die Ausführungen der erst im neuesten Eisenbahngesetz beschlossenen Lokalbahnen nur im Laufe vieler Jahre, entsprechend der Verfügbarkeit der Arbeitskräfte, möglich ist. Trotzdem wage man sich an das Königliche Haus mit der Bitte, gerade die Lokalbahn nach Simmelsdorf alsbald zu erbauen. (...) Die Ausführung gerade dieser Lokalbahn, die extrem kurz und entlang eines einzigen Tales ohne nennenswerte Schwierigkeiten ist, könne in allerkürzester Zeit durchgeführt werden ..."

Weiter wies das Komitee auf eine schnellstmögliche Vermessung hin, da durch die gute Hopfenernte die Bodenpreise wahrscheinlich steigen werden. Ferner wurde befürchtet, dass Grundbesitzer ihre Felder und Wiesen in Hopfengärten umwandeln um möglichst viel Kapital aus dem Verkauf zu schlagen. Deshalb sei eine Detailprojektierung und Vermessung so bald als möglich ratsam, um die Kosten im geplanten Rahmen halten zu können. In einem Antwortschreiben der Staatsbahn vom 26. Nov. 1892 sagt die Behörde die Vermessungsarbeiten für das kommende Jahr zu. Allerdings sei mit Abschluss der Arbeiten nicht vor 1895 zu rechnen, da das Oberbahnbauamt in Nürnberg mit dringlicheren Arbeiten ausgelastet sei. Vorrang hatte zu dieser Zeit der Ausbau der Hauptstrecken.

So mussten sich die Gemeinden im Schnaittachtal bis ins Frühjahr 1894 gedulden, als endlich die eigentlichen Vermessungsarbeiten durchgeführt wurden. Im März 1895 wurde der Kostenvoranschlag für die Hochbauten vorgelegt. Die bereits errichtete Station Schnaittach Bahnhof sollte demnach auf Kosten der Hauptbahn vergrößert werden. Für den Haltepunkt Schnaittach Markt waren ein Bahngebäude mit Diensträumen, Wartesälen und Wohnungen für die Streckengeher, sowie ein großer Güterschuppen vorgesehen.

Für die Endstation Simmelsdorf-Hüttenbach wurden für folgende Bauten 66.200 Mark veranschlagt:

  • 1 Betriebshauptgebäude mit Diensträumen, zwei Warteräumen, Bahnhofsgaststätte, und zwei Wohnungen im Obergeschoss, nebst Stellwerksgebäude
  • 1 Güterschuppen mit Laderampe
  • 1 kleiner Wasserbehälter
  • 1 kleinere Bekohlungsanlage
  • 1 zweiständiger Lokschuppen mit Übernachtungsmöglichkeit für Lokführer und Heizer

Die Genehmigung zum Baubeginn der Strecke erfolgte schon am 29. Juni 1894, da bei der 9,945 Kilometer langen Trasse keine besonderen Schwierigkeiten zu erwarten seien. Bereits im März 1895 war der Bau ziemlich weit fortgeschritten, worauf im November selben Jahres eine Kommission der Staatsbahn die Lokalbahnstrecke in Augenschein nahm. Es wurde folgendes festgehalten: "Die Erdarbeiten sind fertig, die Gleisanlagen gaben keinen Anlass zu Beanstandungen. Die Hochbauten befinden sich noch arg in Rückstand." Allerdings könnte der Betrieb einstweilen provisorisch aufgenommen werden da die Gleisanlagen im betriebsfertigen Zustand sind. Der Vorschlag für den Eröffnungstermin am 5. Dezember 1895 wurde durch Prinzregent Luitpold am 28. November selben Jahres abgesegnet.

Der Bahnbetrieb im Schnaittachtal wurde tatsächlich am 5. Dezember 1895 aufgenommen. Allerdings verzichtete man auf die sonst übliche feierliche Einweihung, da die Hochbauten noch nicht fertig gestellt waren. Wahrscheinlich sind die Eröffnungsfeierlichkeiten in Vergessenheit geraten, da auch von einer späteren Festivität nichts bekannt ist.

Eine endgültige Vermessung im Januar 1896 ergab eine Streckenlänge von Schnaittach-Bahnhof bis Simmelsdorf-Hüttenbach von 9,770 Kilometern. Es mussten 72.000 Kubikmeter Erdreich bewegt werden bevor sich der erste Zug auf die Reise machen konnte. Die Endabrechnung vom März 1897 wies einen Betrag von 506.760 Mark aus, von denen allein 484.981 Mark für die reinen Baukosten und rollendes Material zu Buche schlugen.

Da sich die Gemeinden verpflichteten evtl. Mehrkosten zu tragen, im Gegenzug aber anteilig an Einsparungen beteiligt gewesen wären, war ihnen an einer schnellen Abrechnung der Gesamtkosten gelegen. Doch die Behördenmühlen mahlten langsam. Freiherr von Tucher wandte sich im Februar 1903 an das Königliche Haus und machte darauf aufmerksam, dass sie Gelder bereits 1894 an die Staatsbahn entrichten mussten, die durch Kreditaufnahme jetzt mit 4 Prozent zu verzinsen wären. Die Staatsbahn begründete die Verzögerungen durch die langwierigen Eintragungen in den Grundbüchern, was freilich nur eine faule Ausrede war. Das Außenministerium rügte daraufhin im Juni 1903 die Staatsbahn-Verwaltung, und ordnete die unverzügliche Endabrechnung an. Da die Hinauszögerung ohne triftigen Grund und unnötigerweise erfolgte, müssten gegebenenfalls unfähige Staatsbedienstete entlassen werden.

Die Bahnstrecke Neunkirchen am Sand/Simmelsdorf-Hüttenbach ist heute noch in Betrieb und wird von der DB bedient. Derzeit (Feb. 2009) verkehren die Züge tagsüber unter der Woche im Stundentakt.

Wenn Sie wissen wollen warum die Bahnstation Schnaittach Bahnhof in Neunkirchen am Sand umbenannt wurde, oder welche Geschichten sich an der kleinen Nebenbahnlinie zugetragen haben, welche Unfälle sich ereigneten, dann empfehle ich Ihnen das Buch "Simmelsdorf-Express" von Franz Semlinger (Heimat- und Geschichtsverein Neunkirchen a. Sand, 1995, ISBN 3-927412-10-4). Über 200 Seiten Lesestoff mit vielen historischen Aufnahmen.


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(Aufnahmen ca. um 1980)
Güterabfertigung in Simmelsdorf-Hüttenbach
Güterabfertigung
Lokschuppen
Lokschuppen
Geräteschuppen
Geräteschuppen
Simmelsdorf-Hüttenbach
Bahnhof
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf
Kurz vor Hedersdorf
Kurz vor Hedersdorf
Haltepunkt Hedersdorf
Haltepunkt Hedersdorf
Halt in Hedersdorf
Halt in Hedersdorf
Richtung Schnaittach
Richtung Schnaittach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Simmelsdorf-Hüttenbach
Bahntrasse
212 329-7
Brücke
Güterschuppen
Brücke
212 329-7


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Text: mw
Fotos: mw
Verwendete Literatur: SDE

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