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Probefahrten der Ludwigseisenbahn

Nach Fertigstellung der Ludwigsbahntrasse fanden im Herbst 1835 die ersten Probefahrten mit einem Personenwagen statt. Am 21. Oktober fuhren 23 Passagiere in einem Eisenbahnwaggon der von einem Pferd gezogen wurde. Es galt herauszufinden, ob die von Paul Denis konstruierte Bremse wunschgemäß funktioniert. In einem Bericht heißt es hierzu: "Der Wagen, obgleich mit großer Geschwindigkeit sich bewegend, konnte in jedem Augenblick und an jedem beliebigen Ort zum Stillstand gebracht werden, ohne dass hierdurch den Passagieren eine unangenehme Empfindung verursacht oder das Pferd gezwungen worden wäre, zum Aufhalten irgend eine Kraft anzuwenden."


Nachdem die zerlegte, in England gebaute Lokomotive Adler am 26. Oktober 1835 in Nürnberg eintraf, wurde sie einige Tage später in der Werkstatt von Johann Wilhelm Spaeth zusammengebaut. Mitte November war es dann so weit, der Adler absolvierte seine Jungfernfahrt. Die Nürnberger Stadtchronik vermerkte hierzu: "Montag, den 16. November, nachmittags, wurde auf der Nürnberg-Fürther-Eisenbahn mit dem Dampfwagen eine Probefahrt nach Fürth und zurück gemacht. Die damalige Kälte der Atmosphäre machte bei dem Versuch dieser köstlichen Maschine die äußerste Vorsicht ratsam, so daß bei dem Versuch von Schnelligkeit der Bewegung Umgang genommen werden mußte. Höchst imposant aber war schon der Anblick dieses durch eine unsichtbare Kraft sich bewegenden Kolosses, der unter Begleitung einer großen Zahl Zuschauer ruhig seine Bahn dahinwandelte."

Drei Tage später folgten weitere Fahrten, diesmal mit fünf vollbesetzten Wagen. In 12 bis 13 Minuten erreichte der Zug die Nachbarstadt Fürth. Auf der Rückfahrt wurden dann Bremsproben durchgeführt. Von da an fanden nachfolgend fast täglich Versuchsfahrten statt, die einen großen Besucherandrang verursachten. Für 36 Kreuzer konnte jedermann (der es sich leisten konnte) einmal mit der ersten deutschen Eisenbahn fahren. Der Erlös ging an die Armenfonds beider Städte. Die Neugier war so enorm, dass sich die Leute den Anordnungen der Polizeibehörden widersetzten.

In einem Bericht des Stadtkommissariats Nürnberg heißt es, dass das Volk die Bestimmungen "... wegen Betretens und Annäherns an die Eisenbahn höchst unverständig und freventlich beiseite gesetzt werden, und daß nicht nur einzelne, sondern wohl Hunderte von Zuschauern auf der Eisenbahn sich befanden und selbst im Vorbeifahren der Wägen denselben sich näherten und sich der Gefahr des Überfahrens so mutwillig aussetzten."

Der Andrang von Schaulustigen, die den Dampfwagen aus der Nähe sehen wollten, behinderte aber auch die Vollendung der Bahn, womit Ingenieur Denis seine liebe Not hatte. Ein anders Problem stellte die Befeuerung des Adlers dar. Auch hier mussten Versuche gemacht werden, welches Material am Besten geeignet sei. Heizen nur mit Holz schied binnen Kurzem aus, da bei den Probefahrten die Kleider einiger Passagiere durch Funkenflug versengt wurden. Auch nach Eröffnung der Bahnlinie wurde noch mit verschiedenen Kohlesorten experimentiert, da William Wilson keine Angaben über die bestmögliche Art der Befeuerung machen konnte. Aus Kostengründen entschied man sich für eine Mischung aus Koks, Steinkohlen und hartem Holz. Der Adler verschlang davon, bei etwa drei Doppelfahrten täglich, im Durchschnitt: 509 Pfund Kohlegemisch; 246 Pfund Holz.

Erneute Probefahrten standen 125 Jahre später an. Der Adler-Nachbau von 1935 sollte im Jubiläumsjahr 1960 auf seiner alten Strecke zwischen Nürnberg und Fürth pendeln. Hierzu wurde die Lokomotive im damaligen Ausbesserungswerk Ingolstadt restauriert. Im Schutz der Dunkelheit, in der Nacht zum 21. Juli, absolvierte der Adler-Nachbau eine Versuchsfahrt auf seiner Stammstrecke, die jetzt von Straßenbahn bedient wurde. Die Nürnberger Nachrichten berichteten am 21.07.1960:

"Als heute Nacht die Stadt im tiefen Schlummer lag, zockelte ein fauchendes, feuerspeiendes Ungetüm den ältesten Schienenweg entlang, von der Maximilianstraße hinunter nach Fürth. Die letzten Spaziergänger, die noch in der zweiten Stunde des heutigen Tages dort ihres Weges zogen, glaubten sich unversehens um 125 Jahre zurückversetzt: was da, voran ein mächtiger Schornstein auf einer ratternden Dampfmaschine, hintendrein fünf Abteilwägelchen, auf den Gleisen der Straßenbahn daherkam, was nichts anderes als der berühmte Adler, Deutschlands erste Eisenbahn, Sinnbild eines epochemachenden Ereignisses für die Stadt.
(...)
Heute Nacht nun mußte der Adler beweisen, daß er dazu imstande war. Seit 1935 hatte er nämlich im Verkehrsmuseum gestanden, ohne daß er sich noch einmal aus eigener Kraft zu bewegen brauchte. ..."

Der Adler-Nachbau absolvierte die Testfahrt ohne Beanstandungen, allerdings sollen die engen Radien am Fürther Hauptbahnhof dem Zug etwas zu schaffen gemacht haben. Nichtsdestotrotz, am 7. Dez. 1960 chauffierte der Zug viel Prominenz von Nürnberg nach Fürth, gefolgt von weiteren Jubiläumsfahrten auf verschiedenen fränkischen Strecken im Dezember gleichen Jahres.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: 150JE, DAL, DEE, DLE, LUE, ZDZ

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