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Die Kleinweidenmühle

Die Kleinweidenmühle bestand ehemals aus zwei Mühlenanlagen – einer Papier- und einer Mahlmühle. Die Gebäude der Papiermühle sind noch heute erhalten, während das Anwesen der Kornmühle, dass bis 1980 von der Firma Lauer genutzt wurde, der Abrissbirne weichen musste. Ein Kleinod hat bis in unsere Tage überlebt und wurde liebevoll renoviert: Das schmucke, ehemalige Gesindehaus der Örtelschen Weidenmühle. Die Wasserbauten der Kleinweidenmühlen wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder aufgebaut. Heute bezeichnet "Kleinweidenmühle" den Nürnberger Stadtteil zwischen Gostenhof und St. Johannis.



Die Papiermühle der Kleinweidenmühlen

König Heinrich VII. schenkte die Kleinweidenmühle 1234 zusammen mit der Almosenmühle und wahrscheinlich auch der Krötenmühle dem Ritterorden der Deutschherrn. Im Jahr 1431 erwarb die Stadt, für 500 Gulden und einen jährlichen Zins von 28 Simmer* Korn, die Eigenschaften an den Weidenmühlen. Die Kleinweidenmühle, oder "Weidenmühle in der Lorenzer Pfarr" wie sie auch genannt wurde, war seit 1487 mit der am gegenüberliegenden Pegnitzufer gelegenen Großweidenmühle, über einen Holzsteg verbunden und verfügte über insgesamt neun Wasserräder.
* Simmer: Ein Nürnberger Simmer wurde in Maße nach Malter und Metzen sowie des spezifischen Gewichts der Getreidesorten unterteilt. Ein Kornsimmer entsprach bei 16 Metzen 316 Litern; eine Hafersimmer bei 32 Metzen 592 Metzen.

In den Gebäuden waren unterschiedliche Gewerbe ansässig. Es wurde gemahlen und geschliffen, sowie ein Messing- und ein Zainhammer betrieben, bis schließlich Endres Örtel 1541 das Mühlenanwesen für 4.200 Gulden erwarb. Örtel wandelte das Schleifrad in ein Papierrad um, was sich schon bald als kluger Schachzug erweisen sollte.

Bis Mitte des 16. Jh. bezog die Stadt Nürnberg ihr Schreibpapier vorwiegend aus Ravensburg, was sich durch Örtel ändern sollte. Die Mühle wurde ab diesem Zeitpunkt "Örtelsche Weidenmühle" genannt und belieferte fortan die städtischen Behörden mit Papier. Der Mühlenbesitzer setzte Endres Volkmair auf die Mühle, der es verstand Papier von guter Qualität herzustellen. Dies wurde vom Rat der Stadt honoriert, sodass Volkmair ab 1556 die Verwendung des Stadtwappens als Wasserzeichen erlaubt wurde. Im Gegensatz zu den anderen Nürnberger Mühlen durfte die Kleinweidenmühle das Papierrad im Winter Tag und Nacht laufen lassen um eine Vereisung zu verhindern.

Nach dem Tod Volkmairs übernahm sein Schwiegersohn Eberhard Pecht 1558 das Papierwerk. Um die Streitigkeiten um das Sammeln der weißen Hadern (Lumpen), dem Rohstoff der Papierherstellung, zu beenden erhielt die Kleinweidenmühle das Lumpenprivileg. Dies besagte, dass es dem Papierhersteller erlaubt war in Nürnberg und den Vororten Wöhrd und Gostenhof reine weiße Hadern zu sammeln. Dies geschah nicht ganz uneigennützig, sicherte man sich doch so die zukünftige Bezugsquelle für gutes Schreibpapier. Die anderen Papiermüller in der Tullnau wurden angewiesen nur Packpapier herzustellen. Die Mühle hatte also ein Monopol und genoss den Schutz des Rates. Die Geschäfte entwickelten sich prächtig, sodass Pecht 1581 die Papiermühle für 1600 Gulden kaufen konnte. Endres Pecht betrieb auch noch das Papierwerk in Nürnberg-Doos.

Das schwere Hochwasser von 1595 setzte nicht nur den beiden Weidenmühlen schwer zu. Bereits im Januar wurde der Henkersteg mitsamt acht Schaulustiger von den Wassermassen mitgerissen, ehe im Februar die Groß- und Kleinweidenmühle stark beschädigt wurden. Pecht und andere Mühlenbesitzer wanden sich an den Rat der Stadt, mit der Bitte um Unterstützung beim Wiederaufbau. Pecht erhielt ein Darlehn von 1.000 Gulden und wurde auch von den Nürnberger Kaufleuten unterstützt. Sie besorgten Rohstoffe wie Lumpen und Leimleder und übernahmen Verpflegung sowie den Lohn der Gesellen. Im Gegenzug verpflichtete Pecht sich, sein Papier ausschließlich an die unterstützenden Kaufleute zu verkaufen – ausgenommen war das Kontingent für die Nürnberger Obrigkeit.

Im Jahr 1602 war Cyriak Kleber auf der Kleinweidenmühle. Auch ihn traf ein Hochwasser sehr hart. Der Damm zur Deutschherrnwiese brach an zwei Stellen. Alle Versuche eine Katastrophe abzuwenden scheiterten. Das Wasser schädigte die Gebäude und riss neben 600 Zentner Lumpen auch den Großteil des im Winter gefertigten Papiers mit. Kleber konnte den finanziellen Verlust nicht selbst ausgleichen, erhielt aber Hilfe aus seiner Verwandtschaft. Die finanzielle Schieflage entspannte sich jedoch in den folgenden Jahren. Bereits 1613 konnte es sich der Papiermacher leisten den Zainhammer der Kleinweidenmühle zu kaufen, den er 1619 mit 750 Gulden Gewinn weiterverkaufte.

Nicht nur der Dreißigjährige Krieg verschlechterte die Lage Klebers. Neben der schlechten Rohstofflage erhielt der Weidenmüller auch noch Konkurrenz. Der Nürnberger Buchdrucker Wolf Endter der Ältere hatte 1630 das Papierwerk in Wendelstein gekauft und erhielt die Erlaubnis ebenfalls Lumpen sammeln zu dürfen. Endter durfte nur Papier für seine Druckerei herstellen – der Papierhandel wurde ihm untersagt. Das Lumpenprivileg lag zwar weiterhin auf der Kleinweidenmühle, aber eine gewisse Beeinträchtigung brachte dieser Umstand doch mit sich. Der Monopolist Kleber konnte 1635 sogar eine Preiserhöhung beim Rat durchsetzen und durfte ab 1637 Wasser aus der Bleiweißquelle für seine Produktion entnehmen.

Einen weiteren Betreiber bekam die Kleinweidenmühle im Jahr 1645. Der Betrieb wurde von Ägide Paulus Mörls übernommen. Mörls betrieb bereits die Papiermühlen in Röthenbach an der Pegnitz und in Mögeldorf. Mörls hatte einen guten Ruf und galt als vornehmster Papiermacher Nürnbergs. Der Unternehmer beschäftigte zwölf Gesellen in der Kleinweidenmühle. Nach seinem Tod 1668 sah der Rat der Stadt die Möglichkeit sich von der Weidenmühle unabhängiger zu machen. Das Hadernprivileg wurde aufgehoben und die Papiermüller von der Tullnau durften ebenfalls Schreibpapier herstellen.

Von nun an wechselte die Kleinweidenmühle mehrmals den Besitzer. Der Nachfolger Mörls führte einen verschwenderischen Lebensstil und wirtschaftete das Anwesen herunter. Die Mühle musste versteigert werden. Bernhard Staub erwarb das Anwesen 1683 für 5.000 Gulden und bewirtschaftete es bis zu seinem Tod 1690. Daraufhin ging der Komplex an die Kirche St. Sebald, welche es an Georg Andreas Endter verkaufte.

Endter, der Enkel des Buchdruckers Wolf Endter, betrieb neben der Papiermühle in Mühlhof auch Buchdruck sowie Buch- und Papierhandel. Unter Meister Wilhelm Kohler wurden 1693 über 4.000 Ries** Papier hergestellt. Diese beachtlichte Menge lässt auf drei Bütten schließen.
**Ries: Papierzähleinheit; In Nürnberg bestand ein Ries 500 Bogen Papier, anderswo waren es 480 Bögen.

Einen Umbau und technische Erweiterung erfuhr die Mühle Ende des 18. Jh. unter Bertram Scherer. Er setzte einen sogenannten "Holländer" ein – ein Messerwalzwerk dass die Zerkleinerung der Lumpen beschleunigte. Nach dem Tod Scherers wurden die Nürnberger Mühlen erneut von Hochwasser heimgesucht.

Aus einem Schreiben an den Rat der Stadt vom Mai 1784, verfasst von den Müllern Paul Reinhard und Johann Behringer, geht hervor wie stark die Fluten die Anlagen beschädigten. So heißt es darin: "dass diese Wasserflut unseren steg, den ganzen rechen und unser mühlwehr hinweggerissen und fortgeführt hat, in sonderheit ist derjenige teil des Pegnitzflusses, von dessen ordentlichem Laufe der trieb unserer mühl – respektive hammerwerker, mithin unsere ganze nahrung und unser erwerb abhängt, durch die unaussprechliche menge schutt, welcher von den eingestürzten Gebäuden, sowohl auf der papiermühle als auch in der stadt und besonders von den – letzteren orts durchgebrochenen beiden mühlwehren an unsere werker hingeführt worden ist, und sich daselbst festgesetzt hat, in solchem grade verschüttet, dass auf unserer seite der strom seinen ganzen zug verloren hat, daß derwegen unsere kostbaren werker beinahe völlig stille stehen müssen und wir weder auf denselben arbeiten, noch weniger damit für uns und die unsrigen brot verdienen können; dass dieser stillstand unserer nahrung schon in die neunte Woche dauert, und got weiß wie lange noch dauern wird und dass wir, dieser not abzuhelfen und den zug des wassers nur einigermaßen herzustellen, schon über drei wochen lang täglich mit 24 mann leider vergeblich gearbeitet haben".

Erneute Rückschläge erfuhr die Mühle im 19. Jahrhundert. Die allgemeine Rohstoffverknappung machte sich auch im Papierwerk bemerkbar. 1807 war die Papierproduktion unter Johann Georg Loschge stark rückläufig und 1818 arbeiteten nur noch sechs Arbeiter in der kleinen Fabrik. Loschges Sohn, Johann Jakob, übernahm 1832 den Betrieb, stellte die Papierherstellung ein und wandelte die Kleinweidenmühle in eine Sägemühle um.

Bevor 1860 die Familie Ekert die Mühle erwarb, war sie seit 1839 im Besitz von Hammerwerksbesitzer Martin Bauriedel. Die Familie Ekert beschäftigte 1861 zwei Meister und elf Lehrlinge – elf Mahlgänge wurden von zwei Wasserrädern angetrieben. 1897 wurde auch dieser Betrieb eingestellt und die Wasserkraft (ca. 20 PS) an Kleinbetriebe verpachtet.

Bis zur Zerstörung der Wasserkraftanlagen im Zweiten Weltkrieg, wurde das Anwesen durch verschiedene Handwerker genutzt. So waren eine Schleiferei, Drechslerei, Metalldruckerei, Spinnerei und Buchdruckerei ansässig, die die Wasserkraft aber nur wenig nutzten. Nach dem Krieg wurden in die Räume der Papierfabrik Büros und Wohnungen eingerichtet.


Die Kornmühle der Kleinweidenmühlen

An den heute noch erhaltenen Bau der Papiermühle schloss sich ehemals noch eine Kornmühle an. Sie lag flussabwärts und arbeitete mit sechs Wasserrädern. Modernisiert und zur Kunstmühle mit drei Rädern umgebaut wurde sie 1829 durch Martin Bauriedel. Nach Ignaz Gutmann zog die Patenstiftfabrik Schad in das Anwesen Kleinweidenmühle 10 ein.

1897 war die Nürnberger Metallwerke GmbH in dem Gebäude ansässig. Diese Firma stellte galvanisch vernickeltes Zinkblech her und nutzte die Wasserkraft von ca. 40 PS. Zusätzliche Elektromotoren wurden mit Strom betrieben. Weitere Pächter waren nach dem Ersten Weltkrieg die Metallzieherei Eichner & Co. und ab 1939 die Galvanische Anstalt J. Kolb, G. Lutz + G. Melde. Die Mühle wurde schließlich 1940 an die Münzprägeanstalt Lauer gekauft.

Der Firmengründer und Graveur Ludwig Christoph Lauer war bereits seit 1860 im Anwesen Kleinweidenmühle 12 ansässig und betrieb einen Zinnfolienhammer. Der Umzug in die Mühle erfolgte weil hier Wasserkraft zu Verfügung stand und die alten Betriebsräume in der Waizenstraße (heute Karl-Grillenberger-Straße) zu klein geworden waren. Unter Führung der drei Söhne des Firmengründers entwickelte sich das Unternehmen prächtig. Die Wasserkraft reichte schon bald nicht mehr aus, sodass 1881 zusätzlich ein Gasmotor mit 6 PS eingebaut wurde. Das hölzerne Wasserrad ersetzte man 1882 durch ein eisernes von der Nürnberger Maschinenfabrik Earnshaw.

Der Betrieb wurde ständig erweitert und technisch modernisiert. So wurden der Prägesaal und die mechanische Werkstätte in einem Neubau untergebracht. Einem weiteren Gasmotor folgten zwei Elektromotoren der Firma Schuckert. Um die Jahrhundertwende produzierte man mit 60 Maschinen, darunter neun Münzpressen. Fünfzehn Beamte und 80 Arbeiter waren in dieser Zeit bei der Firma Lauer beschäftigt. Da der Betrieb erfolgreich lief, eröffnete man 1893 eine Filiale in Berlin.

Ab 1906 war Gustav Rockstroh Teilhaber der Firma, nachdem sich die Gebrüder Lauer zerstritten hatten. Als 1915 der noch verbliebene Johann Lauer aus dem Geschäft ausschied, übernahm Gustav Rockstroh die Firma als Alleininhaber. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Werk abermals modernisiert und die Belegschaft auf nahezu 200 Beschäftigte aufgestockt. Wegen seiner Logenmitgliedschaft war Rockstroh den Nazis ein Dorn im Auge, sodass er sich 1936 aus dem Geschäft zurückzog. Sein Sohn stieg in das Unternehmen ein und konzentrierte sich auf die Rüstungsindustrie. Zwischen 1936 und 1945 wurde, mit dienstverpflichteten Franzosen, Holländern und Ukrainern, Munition hergestellt.

Der Bombenhagel von 1945 zerstörte nicht nur die Wasserbauten komplett, sondern auch fünfzig Prozent der Gebäude. Da die Firma seit der Jahrhundertwende von der Wasserkraft weitgehend unabhängig war, bestand an einer Wiedererrichtung der Wasserbauten kein Interesse mehr. Dies hatte auch finanzielle Gründe, da die Wasserrechtsinhaber der Weidenmühlen die Kosten für die Reparaturen zu tragen hatten. Des Weiteren hätten noch das Wehr und der Steg erneuert werden müssen. Durch einen Handel mit der Stadtverwaltung wurde man sich einig. Die Stadt übernahm die Kosten, im Gegenzug wurden alle Wasserrechte abgetreten. Handelseinig wurde man sich auch bezüglich der Instandsetzung der Ufermauer. Die Münzprägeanstalt verpflichtete sich ein Wehrstauhaus zu errichten, dafür wurde die Ufermauer von der Stadt so befestigt, dass sie durch die Firma Lauer bebaut werden konnte. Bevor das Unternehmen 1980 in die Freiligrathstraße umzog, war es bis zu dieser Zeit noch in der Kleinweidenmühle ansässig. Die Gebäude der ehemaligen Mahlmühle wurden daraufhin von der Stadt abgerissen. Wenn die Pegnitz klares Wasser führt, kann man ca. 30 m unterhalb des Wehres, flussabwärts auf der linken Seite, noch Steinbrocken erkennen, die bei den Abbrucharbeiten ins Flussbett fielen.

Seit 1993 befindet sich der Firmensitz der Firma Lauer in Röthenbach an der Pegnitz. Mit ca. 30 Mitarbeitern werden Lautsprechergitter und Zierteile für die Kraftfahrzeugindustrie produziert.


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Text: mw
Fotos: mw
Verwendete Literatur: RIF, SLN

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