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Zwetschgenmännla

Das "Original Nürnberger Zwetschgenmännla" wird vorwiegend auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt angeboten und ist ein gern gekauftes Mitbringsel. Somit werden die kleinen Männlein und Weiblein über die ganze Welt verstreut, sozusagen als Botschafter der Frankenmetropole. Aber, und das hören die Einheimischen gar nicht gern, eine Nürnberger Erfindung sind sie nicht.


Nicht-Franken können mit dem Begriff "Zwetschgenmännla" wahrscheinlich nicht viel anfangen. Denn, in Süddeutschland wird die Pflaume auch als Zwetschge bezeichnet. Und aus diesen, dann getrockneten Früchten entstehen die lustigen Gesellen. Das "männla" ist die umgangssprachliche Verniedlichung von Männlein.

Der Sage nach, und das hören die Nürnberger wieder gern, soll ein alter, lediger, ortsansässiger Drahtzieher der in einem Stadtmauerturm wohnte diese Kreaturen erfunden haben. Da sein karger Lohn nur für das Nötigste reichte, erntete er die Zwetschgen von Bäumen die unterhalb im Stadtgraben standen. Daraus brannte er sich Pflaumenschnaps, um wenigstens ab und zu etwas Alkoholgenuss zu haben. Die nicht verarbeiteten Früchte legte er zum Austrocknen auf den Dachboden. Und eines Tages, in der Adventszeit, wurde der arme Mann schwer krank. Als es ihm besonders schlecht ging, hörte der Drahtzieher einige Nachbarskinder die ein Weihnachtslied sangen. Das hat ihn so erfreut, sodass er wieder kerngesund wurde. Um den Nachbarskindern eine Freude zu machen, zog der Mann die vertrockneten Pflaumen auf Draht auf und formte daraus kleine Figuren. Die Zwetschgenmännla waren geboren.

Soweit die Sage. Die Realität sieht anders aus. Zwar wird der Begriff erstmals 1790 in Georg Andreas Wills (1727-1798) Wörterbuch erwähnt, doch gab es zu dieser Zeit wahrscheinlich auch anderswo Figuren, die aus Draht und gedörrten Früchten hergestellt wurden. In Dresden werden sie "Pflaumentoffel", in Norddeutschland "Pflaumenkerl" genannt. Erste bildliche Darstellungen existieren aus dem 19. Jahrhundert, als die Zwetschgenmännla noch nicht so "pompös" ausgestattet waren wie heute. Damals beschränkte man sich noch auf einfache figürliche Darstellung mit spitzem Hut und einen mit Buntpapier bespannten Bauchladen. Im Gegensatz zum Pflaumentoffel auf dem Dresdener Striezelmarkt, wo der Kopf meist aus einer bemalten Papierkugel besteht, kommt beim Zwetschgenmännla eine Walnuss zum Einsatz. Der Oberkörper wird aus getrockneten Feigen gebildet, Arme und Beine bestehen aus besagten Zwetschgen.

Die Pflaumenfiguren sollen ursprünglich als Speiseopfer für Arme gedient haben. In der Weihnachtsnacht wurden sie wie "Seelen- und Gebildbrote" an Bedürftige gereicht, um auch am Fest teilhaben zu können. So jedenfalls beschreibt es Egon Helmhagen in seinem Buch "Nürnberg im Zauber des Christkindlesmarktes". Gebildbrot, auch Gebildebrot, Sinn- oder Bildergebäck sind die Bezeichnungen für ein Brot oder Gebäck, das zu religiösen oder traditionellen Anlässen in bestimmten Formen hergestellt und verzehrt wird. Die aus Teig geformten Backwaren haben die Gestalt von Menschen, Tieren oder Symbolen. Die Herstellung kann von Hand, mit Modeln oder mit Waffeleisen erfolgen. Allerdings konnte der Verfasser dieser Zeilen bislang keinen weiteren Beleg für Herrn Helmhagens These finden.

Heutzutage sind die Figuren nicht mehr zum Verzehr gedacht. Und auch die Urform hat sich stark verändert. Im Zeichen der Emanzipation gibt es zwischenzeitlich natürlich auch Zwetschgenweibla. Darüber hinaus hat die Ausschmückung der Kreaturen merklich zugelegt. Es gibt kaum ein Genre das nicht durch eine Pflaumenfigur abgedeckt ist. Der obligatorische Schornsteinfeger wurde durch den Fußball-Fan, das Brautpaar, den Taucher, den Betrunken an der Laterne, den Handwerker oder den Polizisten ergänzt. Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.

Eins hat sich allerdings nicht geändert. Die lustigen Männlein und Weiblein werden nach wie vor von Hand gefertigt. Meist werden sie von den Anbietern in familiärer Heimarbeit selbst hergestellt. Egal ob dies im Nürnberger Land, der Oberpfalz oder in Norddeutschland geschieht. Da bei der "Bekleidung" hauptsächlich auf Stoffreste zurückgegriffen wird, ist das Völkchen auf dem Christkindlesmarkt relativ bunt. Sie werden denselben "Zwetschgenmoo" von einem Anbieter kaum bei einem Anderen finden. Man könnte fast sagen es sind Unikate. Eines haben alle Zwetschgenmännla sowie -weibla jedoch gemein, sie sind Staubfänger allererster Güte. Dies tut ihrer Beliebtheit, auch als Glücksbringer, jedoch keinen Abbruch.

Hosd an Zwedschgermoo im Haus,
gäid die es Geld und Gligg ned aus.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: NZC, SLN
Internet: Gebildbrot (Wikipedia)

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