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Vereinigte Papierwerke Nürnberg (VP Schickedanz AG)

"Die Hygiene eines Volkes; Ein Gradmesser seiner Kultur." So war es in einer Werbeschrift der Vereinigten Papierwerke Nürnberg um 1949 zu lesen. Nachdem Ulman Stromer um 1390 in der Hadermühle "anhub mit dem ersten Papir zu machen", entstand über 500 Jahre später vor den Toren der Stadt eine Fabrik, die dem Papier völlig neue Anwendungsmöglichkeiten erschloss. Wie heißt es in der Werbebroschüre so schön: "Die Arbeit des Camelia-Werkes fördert die Erhaltung des gesunden Lebens und erhöht damit die Daseinsfreude."


Das Unternehmen wurde von der jüdischen Familie Rosenfelder gegründet. Der Verwaltungssitz befand sich in Nürnberg, produziert wurde in Heroldsberg und später auch in Forchheim. Bereits im Januar 1929 ließ sich Rosenfelder den Markennamen "Tempo" beim Reichspatentamt in Berlin schützen. Vom Tempo, heute Synonym für ein Papiertaschentuch, wurden 1935 150 Millionen Stück produziert.

Im selben Jahr übernahm "Quelle"-Gründer Gustav Schickedanz die Vereinigten Papierwerke. Man kann davon ausgehen das Oskar Rosenfelder seinen Betrieb im Zuge der Arisierung verkaufen musste. Bei solchen sittenwidrigen "Geschäften" wurden oft nur 10 Prozent des Einheitswertes veranschlagt. Laut "Quelle"-Eigendarstellung wurde der Verkaufspreis bereits 1933 vereinbart.

Der Versandhausunternehmer steigerte die Tempoproduktion bis zum Jahr 1938 auf 400 Millionen Stück. Während des Zweiten Weltkriegs musste die Produktion stillstehen, weil Hygieneartikel keine kriegswichtigen Güter waren. Erst im Jahr 1947 konnte die Fertigung wieder aufgenommen werden.

In seinem 1950 erschienenen Buch "Das Wirtschaftsleben der Stadt Nürnberg von 1050-1950" beschreibt Dr. Karl Seiler das Papierwerk so: "(...) Heute beschäftigt es mehr als 800 Arbeiter und stellt monatlich viele Millionen "Camelia"-Packungen und noch manch andere hygienische Erzeugnisse wie "Tempo"-Taschentücher, aber auch "Favorit"-Künstler-Servietten, "Geisha"-Tropfenfänger und "Visa-Bella"-Gesichtstücher – um nur einige zu nennen – her. Ganz besonders wertvolle Neuschöpfungen dieses Werkes stellen die neuzeitlichen "Camelia"-Windel-Einlagen, die formschönen "Modis"-Schulterkissen und die hygienischen Armblätter "Securita" dar. (..) Es ist zu erwarten, dass sich die Ausbreitung des Betriebes, die im Laufe der letzten beiden Jahre zu beobachten war noch fortsetzen wird." Und damit sollte Dr. Seiler Recht haben. Wegen stark angestiegener Nachfrage (1955 wurden 1 Milliarde Tempos produziert) konnten weitere Produktionsstandorte geschaffen werden. 1958 in Glückstadt, 1962 in Neuss und 1972 in Gelsenkirchen.

Die VP produzierten neben den Hygieneartikeln auch Versandkartonagen, Hauptumsatzträger aber waren Tempo, Camelia und Co. 1977 stellte man bereits zehn Milliarden Tempotaschetücher her. In den Jahren zwischen 1985 und 1987 wurde die komplette Produktion nach Neuss verlegt. Die Gesellschaftsform wechselte 1986 von einer Kommandit- zur Aktiengesellschaft. Ab April 1989 trat die Firma unter der Firmierung VP-Schickedanz AG auf. Das Produktsortiment war zu dieser Zeit bereits umfangreich erweitert worden. Neben dem bekannten Taschentuch wurden Babywindeln, Erwachsenenwindeln, Damenbinden, Wattepads und Betteinlagen hergestellt. 1994 wurde die VP vom amerikanischen Mitbewerber Proctor & Gamble übernommen.

Nachdem die Produktionsstätte in Heroldsberg ausgedient hatte, stand sie über ein Jahrzehnt leer und wurde durch Vandalen stark in Mitleidenschaft gezogen. Kaum ein Raum ohne sinnlose Graffiti-Schmierereien. Doch es zeichnete sich eine Lösung ab. Ein Bauträger erwarb das Areal und ließ es dem Erdboden gleich machen. Der markante Schornstein, der Jahrzehnte lang das Heroldsberger Stadtbild prägte, wurde am 06.05.2007 gesprengt. Seit dieser Zeit wird das Gelände neu bebaut. Es sollen 200 (bezahlbare) Eigenheime für überwiegend junge Familien entstehen.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: DWN, SLN

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