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Die ehem. Hauptsynagoge in Nürnberg

Die einstige Hauptsynagoge von Nürnbergs jüdischer Gemeinschaft stand einst am Hans-Sachs-Platz, direkt am nördlichen Pegnitzufer gelegen. Nachdem schon während des Judenpogroms 1349 die Synagoge am Hauptmarkt, mitsamt des dortigen Judenviertels abgerissen wurde, musste die Hauptsynagoge gegenüber des Heilig-Geist-Spitals, im 20. Jahrhundert den Nazi-Herrschern weichen. (Auf der Fläche der Hauptmarkt-Synagoge steht heute die Frauenkirche.) Die Partie an der Pegnitz mit der ehemaligen Bebauung und der Synagogenkuppel im Hintergrund, war einst ein beliebtes Ansichtskartenmotiv und wurde im Volksmund auch als Malerwinkel bezeichnet.


Die Synagoge am Hans-Sachs-Platz wurde nach den Plänen des Stuttgarter Architekten Adolf Wolff errichtet und 1874 eingeweiht, nachdem sich im 19. Jahrhundert erneut Juden in Nürnberg niederlassen durften. Vorher wurden jüdische Gottesdienste in angemieteten Räumen abgehalten. Der Bau der Synagoge wurde durch die am 28.01.1862 gegründete Israelitische Kultusgemeinde vorangetrieben. Bevor das Nazi-Regime die Macht übernahm, lebten und arbeiteten Ende 1932 rund 9.500 Menschen jüdischen Glaubens in Nürnberg. In einem Reiseführer von 1911 wurde das Gebäude folgendermaßen erwähnt: "... Dem Spital gegenüber die im maurischen Stil gehaltene Synagoge (Mesnerwohnung links im Hof), nach den Plänen des Stadtbaurats Wollf 1869-1874 erbaut ..."

Nach der Machtübernahme Hitlers wurde Nürnberg zur "Stadt der Reichsparteitage" "auserkoren", was in den folgenden Jahren noch weitreichende Konsequenzen für das Stadtbild haben sollte. Neben der Ausmerzung von "Bausünden in Alt-Nürnberg", war auch von einer "Entschandelung der Altstadt Nürnbergs" die Rede. Hiermit waren die Bauten jüdischer Geschäftsleute, sowie jüdische Stiftungen, etwa dem Neptunbrunnen auf dem Hauptmarkt, gemeint.

Ein besonderer Dorn im Auge der Nazis war die Hauptsynagoge an der Pegnitz, die der nationalsozialistische Oberbürgermeister Willy Liebel in einem Antrag vom 23. April 1938 sofort abreißen lassen wollte. Grundlage hierfür, war das am 4. Oktober 1937 in Kraft getretene "Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte". In Liebels Entwurf der "1. Anordnung über die Neugestaltung der Stadt der Reichsparteitage" hieß es: "Die schlimmste Bausünde aus vergangenen Jahrzehnten, bildet die ... Synagoge. Dieses Bauwerk verunstaltet mit seinen fremden orientalischen Bauformen nicht nur den Hans-Sachs-Platz, der eine Umrahmung aus guten alten Bürgerhäusern besitzt, sondern außerdem in besonderem Maße das mit sehr typischen Bürgerhäusern bebaute Nordufer der Pegnitz ... Eine Bereinigung kann nur durch vollständige Beseitigung des Synagogengebäudes erreicht werden."

Doch die Hetzkampagne gegen die Synagoge begann schon einige Jahre früher. Der damalige Baureferent Walter Brugmann schrieb 1934 in einem Zeitschriftenbeitrag ("Bausünden in Alt-Nürnberg"): "In das harmonische Bild des Hans-Sachs-Platzes schiebt sich rücksichtslos die Synagoge. Ein schwerer städtebaulicher Fehler, ganz zu schweigen von dem stimmungsmordenden maurischen Stil, in den der Bau gekleidet wurde. ... Kann hier etwa durch einen Vorbau wenigstens in etwas Abhilfe geschaffen werden?"

So "verhalten" wie Brugmann, musste Liebel einige Jahre später nicht mehr schreiben. Auch der Kunsthistoriker Wilhelm Schwemmer schrieb 1936 im NS-Blatt "Fränkische Tageszeitung": "Die harmonische Wirkung des Hans-Sachs-Platzes wurde durch den byzantinischen Stil der Judensynagoge völlig zerstört." Im bereits erwähnten Blatt, erschienen weitere Hetztiraden gegen das Bauwerk, so war am 22. Juli 1938 zu lesen:

"Wie der Mensch, so sein Glaube, seine Religion. Wie die Religion eines Menschen, so sein Gotteshaus. Protzig, seelenlos und frech erhebt sich die Synagoge über dem Häusermeer Nürnbergs ... Inmitten der deutschesten Stadt aller Zeiten ein Stück Orientalismus, ein Stück in Stein gesetzter Schande ..."

Jahrzehntelang wurde der Blick von der Insel Schütt über die Pegnitz auf die Häuser am gegenüber liegenden Ufer mitsamt der großen Synagoge im Hintergrund als "Malerwinkel" bezeichnet. Zahlreiche Ansichtskarten mit diesem Motiv waren im Umlauf. Aber, der selbsternannte "Frankenführer" Julius Streicher und Liebel wollten an dieser Stelle, wo einst der "Harsdörfferhof" stand, wieder ein "romantisches" Stadtbild sehen. Die Nazi-Herrscher forderten die jüdische Kultusgemeinde am 18. Juni 1938 auf, dem Synagogenabbruch "freiwillig" zuzustimmen. Nach deren Verweigerung erfolgte am 3. August die Zwangsenteignung.

Während einer Propagandaveranstaltung, mit Reden Liebels und Streichers auf dem Hans-Sachs-Platz, wurde am 10. August 1938 mit dem Abbruch der Hauptsynagoge begonnen. Am folgenden Tag war im Hetzblatt Fränkischen Tageszeitung zu lesen:

"Wer gestern in den Vormittagsstunden durch die Stadt lief, dem fiel auf, dass das Bild des einander entgegenkommenden Verkehrs verschwunden war. Menschen, Kraftfahrzeuge und Radfahrer bewegten sich alle in eine Richtung. Sie eilten aus allen Stadtteilen einem Ziel zu: dem Hans-Sachs-Platz. Und sie beschleunigten ihr Tempo, um ja noch einen besonders guten Platz zu erobern. Tausende und Abertausende waren gekommen ... So waren der Platz und die anstoßenden Straßen von Menschen überfüllt, die zu den Zeugen eines geschichtlichen Augenblicks wurden. ..."

Auch die Hetzrede von NS Oberbürgermeister Willy Liebel wird in dem Artikel zitiert: "In unendlicher Kleinarbeit haben wir mit Unterstützung eines großen Teiles der Bevölkerung das alte Stadtbild wiederhergestellt und die alten Straßen und Plätze, die Gassen, die Häuser, die Mauer, die Burg wieder in den Zustand gebracht, der der Stadt der Reichsparteitage würdig ist. (...) Wenn am Reichsparteitag Hunderttausende von Menschen aus dem In- und Auslande hierher gekommen sind und die Formationen der Bewegung hier in dieser alten deutschen Stadt marschierten, da mussten wir oft die unangenehme Frage hören: Alles habt ihr gemacht, nur diesen alten, staubigen orientalischen Bau da unten, wollt ihr den immer stehen lassen? (...) Der Platz, der umrahmt ist von den alten Nürnberger Bürgerhäusern, ist verunziert und verschandelt durch diesen Bau der Synagoge, die einstmals ein vom Judengeist durchdrungener Magistrat hier an dieser Stelle des alten Nürnberg erbauen ließ."

Dann betrat der "Frankenführer" Julius Streicher das Podium und heizte die Stimmung weiter an: "Es kommt die Zeit, in der einmal die Judenfrage in der ganzen Welt radikal gelöst werden wird, weil die Menschheit keinen anderen Ausweg mehr findet. Heute brechen wir eine Synagoge ab und niemals mehr wird sie errichtet."

"Auf die Frage Streichers, ob das Haus mit seinem orientalischen Stil in diese deutsche Stadt hineinpasse, antwortete ihm ein tausendfaches NEIN."

Streicher fuhr fort: "Ihr Nürnberger Arbeiter, die ihr einst Sklaven der Juden gewesen seid und die ihr jetzt freudig mithelft, das neue Reich Adolf Hitlers zu bauen, nun gebe ich Euch den geschichtlichen Befehl – Fanget an!"

Anschließend begannen die Abrissarbeiten. Ein Kran holte den großen Davidstern von der Kuppel, die Kandelaber an beiden Seiten des Synagogeneingangs wurden abgeschlagen. Bis zum Beginn des Reichsparteitages im selben Jahr, war die Synagoge verschwunden.

An Stelle der Synagoge stehen heute Wohnhäuser, aber ein Gedenkstein mit Davidstern erinnert noch an das Bauwerk. Die Gedenkstele stammt von August Hofman. Darauf befindet sich auf einem waagrechten Quader eine Inschrift in deutscher und hebräischer Sprache, die da lautet:

"An dieser Stelle stand die im Jahre 1874 fertiggestellte und im maurischen Stil erbaute Nürnberger Hauptsynagoge. Noch vor der Kristallnacht wurde sie am 10.08.1938 von den NS-Machthabern zerstört und abgetragen."

Neben dem Synagogendenkmal ist auch eine Gedenktafel angebracht, die an die Ermordung von Leo Katzenberger erinnert. Katzenberger (1873-1942), ehmaliger Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnbergs, wurde in einem Schauprozess "verurteilt" und hingerichtet.

Apropos. In einem von Wilhelm Schwemmer herausgegebenen Buch von 1972 (Nürnberg – so wie es war"), wird die Hauptsynagoge gewürdigt. Darin heißt es auf Seite 17: "... Monumentalbau von besonderer Bedeutung, der im Altstadtbild stark in Erscheinung trat." Tja, wie sich die Zeiten doch ändern.



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Gedenkstein der ehem. Hauptsynagoge
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Gedenkstein der ehem. Hauptsynagoge
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Gedenkstein der ehem. Hauptsynagoge
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Text: mw
Fotos: mw
Verwendete Literatur: BAN, JDE, NRS, SLN

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