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Zum Schifflein

Das legendäre Wirtshaus "Zum Schifflein" hat ehemals am Trödelmarkt 22 gelegen (heute Teil von Trödelmarkt 26), ungefähr dort wo sich jetzt der Eingang in der Glasfront eines großen Ladens befindet. Erstmals tritt das Lokal 1851 urkundlich in Erscheinung. Christoph Linkmann stellt in diesem Jahr ein Gesuch zum Betrieb einer Wirtschaft, was ihm am 15. März auch genehmigt wurde. Das Schifflein muss aber schon viel früher bestanden haben, weil es Karl Julius Weber bereits 1826 in "Deutschland oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen" erwähnte. Er schrieb: "... Auf dem Säumarkt (Trödelmarkt) kann man auch Gemälde, Kupferstiche und alte Bücher kaufen, und hier ist auch eine kleine Wirtschaft zum Schiffchen, vom Volk genannt zur H....f...!" Es ist anzunehmen dass das Lokal vor Linkmanns Antrag eher eine anrüchige Kneipe des Rotlichtmilieus war. (Irgendwann wird es dem Autor vielleicht gelingen, die Punkte durch Klartext zu ersetzen.)


Vier Jahre nach Linkmanns Gesuch gelangt das Schifflein in den Besitz von Georg Raum, der es wiederum am 12. April 1855 für 6.400 Gulden an Heinrich Johann Berger verkauft. Warum das Lokal im nachfolgenden Jahr noch zweimal den Besitzer wechselt ist nicht bekannt. Ein Kaufvertrag vom 28. Mai 1856 weist Georg und Margarethe Schulitz als Eigentümer aus. Danach klafft eine kleine Lücke in der Geschichte des Gasthauses.

Erst 1893 taucht das Lokal wieder in den Akten auf. Im September selben Jahres reicht Anna Brunner einen Antrag samt Bauplan ein, auf dem ein Außenanbau direkt über der Pegnitz eingezeichnet ist. Es handelt sich um ein Plumpsklo, welches ihr auch genehmigt wird.

Am 23. April 1902 stellt Adolf Brunner, wahrscheinlich der Sohn Annas, den Antrag auf den Betrieb einer Schankwirtschaft am Trödelmarkt 22, wofür ihm am 9. Juni gleichen Jahres die Genehmigung erteilt wird. Aus einem Plan dieser Zeit geht hervor, dass die Größe des Gastzimmers nur 15,75 qm betrug. Das angeforderte polizeiliche Führungszeugnis weist den neuen Betreiber als nicht vorbestraft aus. Ein weiteres Gesuch zum Ausschank von Branntwein wird Brunner abschlägig beschieden.

Das Schifflein muss recht gut frequentiert gewesen sein, weil Brunner am 13. Oktober 1909 ein Schreiben an die Stadt schickt, worin er bittet den ersten Stock ebenfalls als Gastraum nutzen zu dürfen. Dies wird am 17. November selben Jahres mit der Begründung abgelehnt, dass der Raum zu klein und die Deckenhöhe zu niedrig sei. Wie lange Brunner das Wirtshaus noch führte ist ungewiss.

Am 6. Oktober 1920 geht die Wirtschaft für 45.000 Mark in den Besitz von Heinrich Strauß über, der einen Antrag auf den Betrieb einer Bier-, Café- und Weinwirtschaft stellt. Am 9. November 1920 erhält er die Genehmigung mit den Auflagen das Gastzimmer weder zu verkleinern noch zu vergrößern. Außerdem wird eine Renovierung angeordnet. Am 22. April 1922 bittet Strauß bei der Aufsichtsbehörde die Renovierungsarbeiten bis zum 1. Juli zurückstellen zu dürfen, da so etwas wegen der Enge nur in der warmen Jahreszeit möglich ist -– die Behörde ist gnädig und stimmt zu.

Auch unter Strauß schien das Schifflein gut gelaufen zu sein. Er ersucht 1921 ebenfalls, den ersten Stock als Gastraum mit einzubeziehen. Ferner fragt er an, die Wirtschaftsküche zum Wursten nutzen zu dürfen. Wie das Gesuch beschieden wurde ist unbekannt.

Heinrich Strauß will das Schifflein komplett umstrukturieren. Er reicht 1924/25 verschiedene Pläne für Umbauten ein. So wird ihm die Vergrößerung der Dachfenster und die Errichtung eines Kühlraums auf städtischem Grund gestattet. Einem Bauplan vom 18. Juni 1925 ist zu entnehmen, dass er die Haufassade mit einem Rundbogenportal verzieren will, welches auf vier römisch anmutenden Säulen ruht. Darauf ist zu lesen: "Speisehaus Zum Schifflein, Heinrich Strauß; Kaffee und warme Speisen zu jeder Tageszeit". Ferner ist links ein galeerenartiges Segelschiff abgebildet. Die Gesamtfläche des Vorbaus beträgt 2,5 qm auf einer Breite von 5 Metern. Ob diese optische Aufwertung zur Ausführung kam ist nicht bekannt.

Heinrich Strauß muss ein rechter Haudegen gewesen sein. Am 21. April 1925 geht bei der Polizeidirektion eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen ihn ein. Es gibt auch Hinweise, dass er es mit Preisgestaltung und Wechselgeldrückgabe nicht so genau genommen haben muss. Außerdem gab es Anhaltspunkte das er Freibankfleisch als Frischfleisch verkauft hatte. Gerüchte wegen "Vielweiberschaft", wie immer dies auch zu deuten ist, werden später nicht mehr erwähnt. Die Klagen häufen sich, so dass Strauß am 30. Mai 1930 entnervt den Antrag stellt, das Lokal durch Hans Arend weiter betreiben zu dürfen, was auch genehmigt wird. (Später gelangt das Schifflein in Besitz einer Herta Arend, wahrscheinlich Tochter oder Ehefrau von Hans.)

Eine telefonische Anfrage des Gewerbeamtes an das Brauhaus Nürnberg zeigt den Bierausstoß im winzigen Schifflein. Die Brauerei antwortete schriftlich, dass im Jahr 1829 829,40 hl Bier und vom 01.01.-30.11.1930 792 hl geliefert wurden. Für ein Wirtshaus dieser Größe eine beachtliche Menge – das entspricht 1829 einem Tagesausschank (bei 365 Betriebstagen) von 227,23 Litern, also über 450 Halbliter-Gläsern.

Am 12. Dezember 1934 wird die Handkurbel des Bieraufzugs durch die Bayer. Landesgewerbeanstalt bemängelt. Strauß, als Besitzer des Anwesens, versucht die ihm gesetzte Reparaturfrist (31. März 1935) zu verlängern, was aber abgelehnt wird. Nach einer erneuten Überprüfung meldet der damalige 1. Bürgermeister, Willy Liebel, am 12. Dez. 1935 der LGA, dass die Arbeiten ausgeführt wurden und die Betriebssicherheit wieder hergestellt sei – unterzeichnet mit Hitlergruß.

Was in den folgenden Jahren im Schifflein noch vorgefallen sein muss ist nicht dokumentiert. Am 19. Januar 1942 schließt die Gewerbepolizei das Lokal vorübergehend. Strauß zeigt an, dass er ab 1. Mai 1942 die Wirtschaft nicht weiter betreiben will, verzichtet aber nicht auf die Konzession. Daraufhin wird ihm mitgeteilt, dass der Betrieb innerhalb eines Jahres wieder aufgenommen werden muss, da sonst die Erlaubnis zum Betrieb einer Wirtschaft am Trödelmarkt 22 erlischt.

Aus einem Antrag vom 27. April 1942 geht hervor, dass Strauß den Kellner Martin Gulden mit dem Betrieb des Schiffleins betrauen will. Gulden wird von der "Geheimen Staatspolizei der Stadt der Reichsparteitage" umfassend durchleuchtet. Er muss umfangreiche Fragebögen ausfüllen und erhält im selben Jahr, nach langer Prüfung, die Erlaubnis. Der Bierumsatz schien zurück gegangen oder "geschönt" gewesen zu sein. Gulden gibt für die Jahre 1939-41 folgende Menge ausgeschenkten Gerstensaft an:
490 hl, 484 hl, 410 hl.

Am 24. Juli 1942 stellt Martin Gulden ein Gesuch auf Ausschank von Branntwein. Er begründet dies mit der täglichen Ausgabe von 50 Mittag- sowie 30-40 Abendessen und dass seine Gäste nach den üppigen Portionen nach einem Schnäpschen verlangen würden. Das Fassungsvermögen des winzigen Lokals gibt der Wirt mit 100 Sitzplätzen an. Nachdem seine Angaben amtlicherseits überprüft und bestätigt wurden, erhält er die Genehmigung. Auf einer hinterlegten Speisekarte vom 22. Juli 1942 gehen die Preise aus dieser Zeit hervor. Danach kosteten Krautwickel mit Salat 90 Reichsmark -– alternativ konnte die Summe auch mit Lebensmittelmarken für 50 g Fleisch und 10 g Fett beglichen werden. Eine Kartoffelsuppe kostete 20 ReM. Anscheinend wurde auch Gulden eine Renovierung nahe gelegt, da er den Behörden schrieb, dass er im Frühjahr 1943 tünchen will, falls er Handwerker bekommt.

Gegen Heinrich Strauß waren inzwischen mehrere Verfahren anhängig. Am 22. Januar 1943 wird er zu sechs Monaten Haft verurteilt. Die Strafe wurde mit "fortgesetzten Vergehens des Betrugs, fortgesetzten Vergehens der Preisüberschreitung, fortgesetzten Vergehens gegen das Lebensmittelgesetz, fortgesetzten Vergehens der Zurückhaltung bezugsbeschränkter Erzeugnisse und das Verabreichen von Freibankfleisch als Frischfleisch" begründet, wie es im Urteil wörtlich heißt. Die Kosten für das Verfahren in Höhe von 80 Reichsmark wurden dem Verurteilten auferlegt.

Am 20. Mai 1946 bittet Gulden bei der Gewerbepolizei um den Wiederaufbau der Wirtschaft "Zum Schifflein" da diese am 2. Januar 1945 ausgebombt wurde. Nach diesem Angriff lag der gesamte Trödelmarkt in Schutt und Asche. Heinrich Strauß erhält am 8. Juli 1948 ein amtliches Schreiben, dass die Konzession von Gesetzes wegen am 01.01.1948 erloschen sei, weil der Betrieb nach drei Jahren nicht wieder aufgenommen wurde. Wegen der schwierigen Nachkriegsjahre räumte man ihm aber eine Karenzzeit bis zum 25. August 1950 ein.

Am 30. September 1948 hatte bereits Ernst Brinke ein Gesuch eingereicht, worin er bat, eine zwei Jahre vorher aufgestellte Verkaufsbaracke auf die Fläche vor das zerstörte Schifflein versetzen zu dürfen, worauf Strauß heftig protestierte. Brinke betrieb einen Einzel- und Großhandel mit Lebens- und Genussmitteln, Tabakwaren, Weinen, Spirituosen sowie Gasthofbedarf. Auch eine zweiprozentige Umsatzbeteiligung zu Gunsten des Stadtrats brachte keinen Erfolg. Das Gesuch wird am 7. Oktober 1948 abgelehnt, worauf Brinke es komplett zurückzieht.

In den 1950er Jahren bricht eine neue Zeit an – das Schifflein ist endgültig Geschichte. Strauß muss das zerstörte Anwesen zwischenzeitlich verkauft haben, denn am 3. Januar 1950 geht es laut Notarurkunde von Herta Arend auf Ludwig und Helene Röger über. Die Familie Röger schien bereits vorher ein Schuhgeschäft am Trödelmarkt betrieben zu haben, irgendwo in den Anwesen zwischen Hausnummer 2 und 26.

Dies begründet auch warum das Wirtshaus "Zum Schifflein" nicht wieder aufgebaut wurde. Die Verantwortlichen hatten mit dem Bauplatz an der Pegnitz sowieso andere Pläne. Die Reste der Mühlen (Schwaben- und Pfannenmühle) wurden im Zuge der notwendigen Hochwasserregulierung beseitigt. Die Stadt versuchte die frühere Idylle der kleinen Bebauung am Trödelmarkt nachzuempfinden, allerdings nur auf der Westseite. Dort wo einst das Wirtshaus "Zum Schifflein" stand wurde ein größerer, zeitgemäßer Bau errichtet, in dem seit den 1960er Jahren das ehemals bekannte Schuhhaus Röger sein Ladenlokal hatte. Dies ist aber auch längst Geschichte.


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Text: mw
Fotos:
Verwendete Literatur: Wirtshausakte, Stadtarchiv Nürnberg

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